Über Ansprüche und ihre Auswüchse

Ich erinnere mich noch sehr gut an diesen Tag: es war der letzte Spieltag meiner U13 in der Verbandsligasaison 2009/10. Der Spieltag fand in Bretten statt, das hieß für uns eine knappe Stunde Anreise. Zwei Spiele standen an. Zwei Spiele bis zum größten Erfolg in der Jugendarbeit des SSV Vogelstang – der Qualifikation zum Regionalspielfest, der inoffiziellen Süddeutschen Meisterschaft bei der U13. Vieles hatten wir bis dahin mit unseren Jüngsten schon erreicht, noch nie war es uns aber bis dahin gelungen, über die Grenzen des Verbands hinaus einen Erfolg zu erzielen. Doch das änderte sich an diesem Tag. Denn als drittbeste Mannschaft Nordbadens qualifizierten sich meine Mädels sich für das Spielfest in Konstanz. Ich zitiere aus meinem damaligen Artikel:

Für den SSV stellt diese Qualifikation den bislang größten sportlichen Erfolg der Volleyball-Jugend dar. Ein Riesen-Kompliment an Mannschaft und Betreuer!

Die Euphorie kannte keine Grenzen und spätestens, als bei der feierlichen Begrüßung in Konstanz gesagt wurde, dass sich hier die 14 besten Teams aus ganz Baden-Württemberg treffen und dass es alleine schon eine tolle Leistung ist, es bis hierher geschafft zu haben, wurde allen bewusst, was für eine große Nummer das war. Es ist und bleibt ein Erlebnis, von dem die Mädels auch heute noch mit glänzenden Augen erzählen.

Das ist jetzt drei Jahre her. Der ersten Qualifikation folgte die zweite im Jahr darauf und im Jahr danach schafften sogar U13 und U14 den Sprung zu den Regionalmeisterschaften. Abermals eine Steigerung, insbesondere weil die tollen Gastgeber in Mutlangen die Süddeutsche Meisterschaft zu einem wirklich besonderen Turnier gestalteten.

Inzwischen ist die Saison 2012/13 fast vorbei. Wieder haben sich U13 und U14 für die Regionalmeisterschaften qualifiziert – eine tolle Leistung, gerade für die Jüngsten, die nun erstmals an einer großen Meisterschaft teilnehmen können. Doch was ist nur aus der großen Euphorie geworden, die noch vor drei Jahren alle im Verein elektrisiert hatte. Da hört man von der U14, man habe zwar die Quali geschafft, aber am letzten Spieltag nur schlecht gespielt. Vorfreude auf ein großes Saisonfinale klingt anders. Und die U13? Anstatt in Freudengesänge auszubrechen und das Glück kaum zu fassen, überwogen auch hier eher kritische Töne. Das eine oder andere Spiel hätte man noch besser spielen können, nicht alles hatte so geklappt wie gedacht.

Dabei wiegt die Qualifikation zum Regionalspielfest auch im dritten Jahr nicht weniger, ist die Bedeutung nicht kleiner. Die Chance zu haben, sich mit den Besten aus ganz Baden-Württemberg zu messen und sich als Vertreter Nordbadens über die Grenzen des Verbands hinaus zu präsentieren – all das hätte mehr Euphorie verdient.

Aber ich erinnere mich noch an warnende Worte der Trainerin unserer Freunde vom TV Brötzingen, die mir vor ziemlich genau drei Jahren berichtete, wie noch nach deren erster Quali zu Süddeutschen Meisterschaften alle Hebel von Verein und Gemeinde in Bewegung gesetzt wurden, weil diese Leistung so außergewöhnlich war und dass nur wenige Jahre später die Erwartungen so groß geworden waren, dass man sich selbst über die Quali nicht mehr so richtig freute. Damals dachte ich noch, das würde uns nie passieren. Wir sind einfach zu klein und für uns bedeutet das immer das Größte.

Doch schaue ich ins Jahr 2013, so erlebe ich exakt das, was ich nie gedacht hätte.

Sicher: die Erwartungen sind mit der Zeit gestiegen und das ist in gewisser Weise auch gut so. Nur wer mehr erwartet, kann sich steigern und darum geht es im Sport ja letztendlich. Doch sollten uns unsere eigenen hohen Erwartungen nicht davon abhalten, einen Erfolg als Erfolg zu bezeichnen und sich über Erfolge auch offen zu freuen. Vielleicht stände es uns nicht schlecht zu Gesicht, bei allem sportlichen Ehrgeiz sich unserer Bescheidenheit zu erinnern. Siege feiern, wenn sie passieren und nicht immer das Haar in der Suppe zu suchen. In diesem Sinn schreibe ich auch an dieser Stelle: es ist eine herausragende Leistung unserer Jüngsten bei U13 und U14, den Sprung zu den Regionalmeisterschaften geschafft zu haben. Darauf sollten, ja müssen wir stolz sein.

… um dann trotzdem danach zu streben, noch besser zu werden.

Wochenende der Gegensätze

Ein langes Wochenende liegt hinter mir, ein unglaublich langes sogar.

Los ging es am Samstag morgen, als sich um 8:30 Uhr die U18 zur Abfahrt zum Jugendverbandspokal in Rohrbach traf. Guter Dinge und im sicheren Gefühl, die Favoritenrolle innezuhaben, machte man sich auf den Weg. 10 1/2 Stunden später kehrte man zurück – ohne den erhofften Pokal, aber dafür mit mächtig viel Frust in den Knochen.

Unter dem Strich war am Turniersieg der ausrichtenden TSG Rohrbach nichts zu deuteln. Deren Mädchen hatten sich in einen wahren Spielrausch gesteigert und waren aus der Todes-Vorrundengruppe als Sieger hervorgegangen. Der Spielplan des Verbands hatte nämlich ein kleines Manko: im Starterfeld traten zwei Verbandsligisten sowie die vier Bestplatzierten der Jugendmeisterschaft an. Warum aber die beiden Verbandsligisten in der gleichen Vorrundengruppe gesetzt waren, bleibt schleierhaft. Umso lobenswerter die Leistung der Rohrbacherinnen, die ihre beiden Matches jeweils im dritten Durchgang für sich entschieden, währende meine Mädels hinter ihren eigenen Erwartungen zurückblieben und die beiden Vorrundenspiele im dritten Satz denkbar knapp verloren (13:15 und 17:19).

Nachdem wir die ersten beiden Spiele des Tages zu absolvieren hatten, folgte eine schier endlose Wartezeit, ehe man im wert- und sinnlosen Spiel um Platz 5 noch einmal antrat. So lagen zwischen dem letzten Vorrundenspiel nicht nur fast vier Stunden, sondern auch viel Zeit, über die vergebenen Chancen nachzudenken. Sicher: wer den Pokal holen wollte, musste sich auch in dieser Vorrundengruppe durchsetzen. Das hatte man nicht geschafft und durfte sich von daher auch nicht beschweren. Für zusätzlichen Frust sorgte jedoch die Beobachtung, dass das Niveau in der parallel gespielten zweiten Vorrundengruppe ungleich niedriger war und man aufgrund des Modus hinter zwei Mannschaften in der Abschlusstabelle landen würde, gegen die man mehr als gute Chancen auf Erfolg gehabt hätte. Daran konnten auch nicht die bei der Siegerehrung verteilten „Süßis“ etwas änderen. Sie machten es lediglich ein wenig erträglicher.

Ich denke, jeder kann nachvollziehen, dass auch meine eigene Motivation, nach dem Samstag auch den Sonntag in einer Volleyballhalle zu verbringen, nicht gerade einen Höhenflug erlebte. Doch die Aussicht, mit unseren Jüngsten – der U13 – zu deren Saisonfinale, dem Jugendpokal, zu reisen, weckte in mir spontane Vorfreude. Es ist schon erstaunlich, wie groß die Unterschiede zwischen einer U13 und denjenigen Mädchen schon ist, die noch vor zwei oder drei Jahren selbst dort spielten. Doch bevor das Turnier selbst anstand, galt es noch zu klären, wie wir überhaupt die beiden Mannschaften und die Betreuer zum Spieltag bringen würden. Die Aufforderung an die Eltern, sich rechtzeitig zu melden, wer Fahrdienst würde machen können, war nicht von allen befolgt worden. Was blieb anderes übrig, als am Samstag abend herumzutelefonieren, um den Transport sicherzustellen. Dass am Morgen selbst dann ein Auto mehr am Treffpunkt erschien als gedacht, verwirrte mich zwar nachhaltig, aber immerhin kamen wir problemlos zum Turnier nach Wiesloch.

Die Vorzeichen für die beiden Mannschaften hätten nicht ungleicher sein können: da war die U13/2, die eines der Vorrundenturniere für sich entschieden hatte und mit der klaren selbst ausgesprochenen Zielsetzung ins Turnier ging, den Pokal zu gewinnen und auf der anderen Seite die U13/3, die sich über jeden Satzgewinn freuen wollte.

Dass am Ende beides in Erfüllung ging, machten diesen Tag dann doch perfekt. Als sei es das Selbstverständlichste der Welt, marschierte die U13/2 durch das Turnier und krönte ihre eigene erste Saison im Trikot des SSV mit einem tollen Turniersieg. Die U13/3 machte es sich weitaus schwerer, gewann dann aber nach 0:1-Satzrückstand noch ihr letztes Spiel des Tages und beendete auf diese Weise ihre Spielzeit mit einem Erfolg.

Für die Mädchen spielte es keinerlei Rolle, um welchen Pokal sie an diesem Tag gespielt hatten. Wenn man nach Turnierende in die Augen der Mädchen schaute, sah man da  dieses Glitzern, diese Riesenfreude, die eigenen Ziele erfüllt zu haben. Es ist diese ganz natürliche Freude, die es einem Trainer dann wieder leicht macht, sich auch für das nächste Turnier oder den nächsten Spieltag aufzuraffen. Vergessen sind die vielen Stunden, die man für die „Mädels“ unterwegs war. Dafür hat es sich wieder einmal gelohnt.

Nachdem die Mädchen nach Hause gebracht waren, kam ich knapp nach drei nach Hause und musste daran denken, dass beim Turnier tags zuvor zu dieser Uhrzeit gerade die Vorrunde vorbeigewesen war. Wie unterschiedlich können zwei Turniere doch verlaufen! Doch mit dem Turniersieg hatte das Wochenende doch noch ein gutes Ende gefunden. Freizeit blieb zwar nicht mehr viel übrig, aber das gute Gefühl, Volleyball mit allen Aufs und Abs an nur einem Wochenende erlebt zu haben.

Emotionen pur

13:45 Uhr – Die Spannung liegt in der Luft. Das Spitzenspiel unserer 1. Damen gegen den Tabellenzweiten. Es ist das drittletzte Spiel der Saison, unsere Damen haben noch kein Spiel verloren, der Zweite nur eines – nämlich das Hinspiel gegen uns. Es geht um die Wurst, das ist allen klar: die Vorentscheidung fällt heute. Darauf fiebern alle seit Wochen hin.

Die Hiobsbotschaften treffen ein: eine der beiden hauptamtlichen Zuspielerinnen muss mit Magen-Darm-Problemen das Bett hüten und die andere hat auf der Fahrt zum Spieltag einen Autounfall und muss zunächst ins Krankenhaus. Ihr ist ersten Gerüchten zu Folge nichts passiert, aber so etwas sorgt ja immer auch für einen Schock und das vor solch einem Spiel.

15 Uhr – Der Rahmen könnte perfekter nicht sein. Die Werbetrommel hat dafür gesorgt, dass der Andrang der Zuschauer in der Halle groß ist. Die Spannung ist zum Greifen nah. Nach außen hin üben sich alle in Gelassenheit, aber blickt man in die Gesichter von Spieler und Trainer, ist klar: heute will man sich den Lohn für die gesamte Saison abholen.

16:02 Uhr – Das 3:0 gegen den Tabllendritten Ladenburg ist nicht mehr als ein kleiner Vorspeisenhappen für das Spiel der Spiele. 25:6, 26:17 und 25:12 – klarer kann Überlegenheit in Zahlen kaum ausgedrückt werden und das mit einer kurzerhand zur Zuspielerin umfunktionierten Diagonalspielerin. Freude kommt trotzdem kaum auf. Alles ist fokussiert auf das Finale.

17:15 Uhr – Das Warten hat ein Ende, der erste Ballwechsel. Die Stimmung kocht hoch. Die Trommel wummert durch die Halle. „EISKALT!“ – der Schlachtruf unserer Damen. Sie kommen gut ins Spiel, gewinnen den ersten Satz.

18:34 Uhr – Der parallel ausgetragene Spieltag meiner 2. Damen ist fertig. Alle strömen in die andere Halle – jetzt gilt es, die 1. Damen zum Sieg zu treiben. Die haben es auch mehr als nötig. Satz 2 und 3 sind an Handschuhsheim gegangen, der vierte Satz ist halb gespielt. Alles noch im Lot. Ein Blick in die Runde: hier lebt das Volleyball. Emotionen pur, wo man nur hinschaut. Ein echtes Spitzenspiel, das diesen Namen auch verdient. Selbst Fans, für die es der erste Besuch bei einem Volleyballspiel überhaupt ist, lassen sich mitreißen, feuern die SSV-Damen an, als ginge es um die Weltmeisterschaft.

18:58 Uhr – Ist das die Wende? Der Jubel nach Gewinn des vierten Satzes gleicht einem Siegerjubel, dabei hat man nur die Verlängerung erzwungen: der fünfte Satz muss entscheiden. Ein Blick in die Spielerinnenaugen spricht Bände: es wenig von Nervosität zu sehen, alle wirken fokussiert und konzentriert. Die Chance für die Vorentscheidung in der Liga ist zum Greifen nah. Nur noch ein Satz gewinnen und dann …. diese Gedanken müssen nun aus dem Kopf, Handschuhsheim wird keinen Punkt herschenken. Anders die Situation der Auswechselspielerinnen: sie können nichts anderes tun als Anfeuern und Beten, dass die Sechs auf dem Spielfeld es ausrichten. Was ist das für eine Anspannung da draußen!

19:15 Uhr – Matchball für SSV – vergeben.

19:16 Uhr – Zweiter Matchbal für den SSV – jetzt aber? Der Ball fällt auf den Boden, das hätte nicht passieren dürfen. Aber zum Glück ist es auf Seite der Handschuhsheimer. Die Arme gehen nach oben, die Ersatzspielerinnen stürmen aufs Feld, es gibt kein Halten mehr. Es ist geschafft! „So seh’n Sieger aus!“ wird in die abendliche Halle gebrüllt. Die Fans bejubeln die Mannschaft.

Was für ein Spieltag!

Der Abend davor

Es ist eine seltsame Spannung, an so einem Abend davor. Vor was? Na, vor einem dieser entscheidenden Spiele einer Saison. Alles ist angerichtet: zwei Spieltag vor Saisonende trifft der Tabellenführer auf die beiden hinter ihm Platzierten. Hopp oder Top – das ist die Farge an diesem einen Mittag. Und unsere 1. Damen gehen als Tabellenführer ins Rennen. Ohne Spielverlust ist man Erster der Liga, der Zweite hat auch nur ein Spiel verloren – nämlich das hart umkämpfte Hinspiel im letzten Jahr.

Nun sitzt man zu Hause und ehe man sich versieht, malt man sich aus, was da morgen alles passieren kann. Alles ist angerichtet: es wurde Werbung wie noch nie gemacht, unsere Sponsoren haben extra für diesen Spieltag Werbebanner bereitgestellt, die Leistungskurve stimmt. Das wird sicherlich eine tolle Angelegenheit, wenn in der Halle endlich mal viele Fans sind.

Erinnerungen werden wach an den ersten Heimspieltag. Die 2. Damen – meine Mädels – hatten ihren allerersten Spieltag in der Bezirksklasse bestritten und etwas überraschend ihr Auftaktspiel gewonnen. Im parallel ausgetragenen Spieltag der 1. Damen war das erste Spiel siegreich verlaufen, aber im zweiten lag man gegen Heidelberg bereits 1:2 in Rückstand. Doch dann reihten sich auch meine Mädels in die Reihe der lautstark anfeuernden Fans. Die Wende gelang: der fünfte Satz wurde zur kleinen Demonstration und unter ohrenbetäubendem Lärm gelang der Spielgewinn. Was für eine Stimmung in der Halle. Gänsehaut pur! Ob es morgen auch wieder so wird, so spannend?

„Ach, die Mädels packen das schon. Sie sind derart gefestigt, dass sie auch diese heiße Partie für sich gewinnen werden.“ denkt man dann. Doch das Kribbeln bleibt.

Vorfreude.