Von verlorenen und wieder gefundenen Pässen

Es trug sich beim Spieltag unserer 1. Damen im Dezember in Hockenheim zu. Es war ein Doppelspieltag, bei dem unser Team das 1. Spiel gegen den Ausrichter bestritt. Es war eine hart umkämpfte Partie, bis zur letzten Sekunde. Ein 5. Satz musste die Entscheidung bringen. Der SSV zog denkbar knapp den Kürzeren. Tief war die Enttäuschung, weil man den Gegner für schlagbar eingestuft hatte und auch das Spiel zeigte, dass das möglich gewesen wäre. Doch am Ende musste man sportlich die Niederlage akzeptieren.

Das zweite Spiel waren wir Schiedsrichter. Wie sich herausstellte, war unser Schiedsgericht etwas aufmerksamer als offenbar viele davor. Jedenfalls wurde bei der Überprüfung der Pässe festgestellt, dass der Pass einer Spielerin von Hockenheim nicht unterschrieben war. Ordnungsgemäß wurde das im Spielberichtsbogen eingetragen und die Partie gepfiffen. Das Ergebnis tut wenig zur Sache, jedenfalls fuhren alle nach Hause und mit ihnen immer noch der Frust über die Niederlage.

Nun erreichte das Geschehen den Staffelleiter. Der sieht den Vermerk, dass ein Pass nicht unterschrieben war, stellt weiterhin fest, dass die Spielerin zum Einsatz gekommen war und wertet das Spiel folgerichtig als verloren für Hockenheim. Jetzt wurde auch unsere Mannschaft wieder wach. Schließlich war diese gleiche Spielerin auch im 1. Spiel gegen uns zum Einsatz gekommen. Wenn ihr Pass im 2. Spiel nicht unterschrieben war, konnte er das im erst auch schlechterdings gewesen sein. Es gab sogar ein positives Signal vom Spielwart, dass auch das 1. Spiel neu gewertet werden müsse.

Doch nun war man im Bereich der Formalismen verfangen. Denn das Problem war, dass das Schiedsgericht des 1. Spiels die Spielerpässe nicht oder nur unzureichend geprüft hatte und demnach auch nichts in den Spielberichtsbogen eingetragen hatte. Eine Rückfrage bei Hockenheim machte daraus dann die eigentliche Posse: ja, die Spielerin habe im ersten Spiel auch schon gespielt, da habe aber noch ein unterschriebener Pass vorgelegen. Der sei (in der Stunde zwischen den beiden Spielen) verloren gegangen, woraufhin ein neuer Ausdruck aus dem Passsystem erstellt worden wäre. Leider habe die Spielerin vergessen, diesen neuen Pass zu unterschreiben. Folglich wäre im ersten Spiel alles ordnungsgemäß verlaufen.

Ich muss sagen, dass diese „Begründung“ (ich möchte nicht gleich sagen: Ausrede) in mir sofort Assoziationen geweckt hat an meine Schulzeit. Wenn es darum ging zu erklären, warum man keine Hausaufgaben hatte oder wie es kommen konnte, dass das Arbeitsheft eben nicht da wäre – da kamen schon manchmal wahre Stilblüten vermeintlicher Erklärungen, was für ein schreckliches Schicksal zu dieser Situation geführt habe. Man stelle sich das mal vor: da liegt ein Pass in einer Spielermappe am Schiedsrichtertisch. Dann erfasst den Raum eine Windstoß, der exakt so durch die Halle schwappt, dass exakt ein Spielerpass aus der Mappe gerissen wird und dieses Blatt Papier – das ja neuerdings leicht wie eine Feder ist – förmlich aus der Halle getragen hat. Dies beobachtet ein aufmerksamer Zuschauer, sodass sich schnellstmöglich ein eifriger Funktionär des Vereins auf den Heimweg macht, um einen neuen Pass auszudrucken. Doch die Spielerin saß zu lange auf der Toilette (oder musste zu lange ihre kranke Oma besuchen), sodass sie vergaß, den Pass zu unterschreiben. Was für ein Drama!!!

Der Unterschied zu derart hanebüchenen Geschichten war in diesem Fall nur, dass der Hockenheimer Erdenker der Geschichte exakt über die Formalismen des Verbands bescheid wusste. Denn dank dieser trickreichen Formulierung kann tatsächlich niemand sicher wissen, ob ein gültiger Pass beim 1. Spiel vorgelegen hatte. Insofern blieb weder dem Staffelleiter noch einem Spielwart eine andere Chance, dieser offensichtlichen Posse zu widersprechen. Man muss neidlos anerkennen, dass Hockenheim über eine erstaunliche und raffinierte Phantasie verfügt und alleine dafür zollt ihnen auch mein Respekt.

Man muss – und damit will ich für heute enden – natürlich darüber nachdenken, ob ein nicht unterschriebener Pass aus rein sportlicher Sicht wirklich zur Aberkennung eines Spiels in einer Landesliga zu führen hat. Letztlich ist es natürlich ein Formalismus und alle Pässe müssen unterschrieben sein. Das ist nun mal so und jeder weiß das eigentlich. Auf unser Spiel gegen Hockenheim bezogen, sehe ich es trotzdem so, dass Hockenheim an diesem Tag im letzten Satz 2 Punkte mehr als wir gemacht haben, damit verdient gewonnen hat und die Unterschrift daran auch nichts geändert hätte. Sportlich bleibt es deshalb bei meiner Gratulation für den Sieg und einem herzlichen Dank für eine wunderbar erfundene Geschichte.