Bundespokal 2021
Als die Kaderzeit für die Jahrgänge 2006/07 mit der Kadersichtung im Oktober 2017 begann, lag der Bundespokal noch in weiter Ferne. Erst mit der Zeit erfuhren die Mädchen, dass all die Mühen das große Ziel hatten, eben an diesem Bundespokal Nordbaden würdig zu vertreten und zu zeigen, welch tolle Arbeit im Kader des Verbands geleistet wird. Bis dahin galt es, zwei Jahre Bezirkskader hinter sich zu bringen, die Sichtung in den Verbandskader zu schaffen und dann auch noch zwei Jahre in diesem höchsten Kader Nordbadens zu überstehen.
Auf diesen langen Weg machten sich auch einige Mädchen aus dem SSV. Nicht jede, die den Weg begann, konnte ihn ganz bis zu Ende mitgehen, aber der SSV erwies sich bis zum Schluss als einer der großen Vereine, die zahlreiche Talente im Kader am Start hatten. Bis zum Sommer konnte der SSV auf fünf Kader-Mädchen verweisen, die von der Vogelstang kamen oder zumindest einen wesentlichen Teil ihrer Jugendausbildung beim SSV erlebten.
Auch in „normalen“ Zeiten wäre der Bundespokal im Oktober 2021 der Abschluss der Kaderzeit gewesen, aber schon in 2020 hätten die Mädchen beim ersten Bundespokal dieser Jahrgänge die große Luft dieser Veranstaltung schnuppern können. Doch Corona machte auch hier einen Strich durch die Rechnung. Die Ansteckungszahlen im Oktober 2020 gingen gerade wieder steiler nach oben und es fand sich letztlich niemand, der diesen Bundespokal unter diesen Voraussetzungen ausrichten konnte und wollte.
Umso größer waren nun die Hoffnungen auf den Bundespokal 2021. Wenn der wegen Corona auch noch ins Wasser fiel, würde diesem Kaderjahrgang jeder große Abschluss verwehrt bleiben. Irgendwann im Sommer kam die Kunde, dass Konstanz wohl der Ort sein würde, wo der große Pokal stattfinden sollte – ein Ort, mit dem der SSV auch besondere Erinnerungen verbindet. Zum einen fand in Konstanz das erste Regionalspielfest, also die süddeutsche Meisterschaft der U13 statt, an der der SSV jemals teilnahm. In Konstanz fand auch im Kader der Jahrgänge 2004/05 der erste Kadervergleich statt, an dem unter anderem auch die SSV-Younsters Amelie und Lina teilnahmen. Lang ist es her!
Hinter den Mädchen lag bis zum Bundespokal 2021 schon ein steiniger Weg. Nicht nur Corona galt es zu „überwinden“, auch schon davor wurde von Kadertrainern aussortiert und neue Spielerinnen kamen dazu. So wurde Hannah Killus erst in 2019 in den Kader aufgenommen, während Lotta, Tessi, Julia und Amelie von Anfang an am Start waren. Amelie hatte sogar schon in 2015 die Chance bekommen, als Jahrgang 2006 im Kader der Jahrgänge 2004 und 2005 zwei Jahre im Bezirkskader zu absolvieren, ehe ihr „eigener“ Kader losging.
Und auch in den Wochen kurz vor dem Bundespokal 2021 gab es noch manch schmerzhafte Entscheidung hinzunehmen. Mindestens ebenso enttäuschend, wenn eine Spielerin den Bundespokal aus gesundheitlichen Gründen absagen muss.
Tag 1
So machten sich am Donnerstag, den 21. Oktober, nur noch drei Spielerinnen aus dem SSV auf den Weg gen Bodensee. Aus Mannheim ging es nur für Amelie sowie Kadertrainerin Conny ab Bahnhof Mannheim auf die Reise. Doch der Beginn der Reise gestaltete sich schwieriger als gedacht. Zum einen machte der erste große Herbststurm jede Form von Reisen zur Herausforderung, verhinderten doch umgestürzte Bäume allenthalben das Weiterkommen. Zum anderen stellte es sich bei der Abreise aus Mannheim heraus, dass eine Unterführung, über die man bisher zum Bahnhof gelangte, nicht mehr nutzbar ist, und so eine Abfahrt im vorgesehenen Zug verhinderte. Damit mussten alle anderen Kaderspieler hektisch informiert werden, sollten sie auf der Weiterreise des Zuges doch aufgesammelt werden. Wie sich herausstellte, war der ursprünglich geplante Zug ohnehin wegen des Sturms ausgefallen.
Irgendwann kam die Nachricht: „Haben es geschafft. Sitzen jetzt im Zug nach Stuttgart“ – die weitere Anreise sollte ohne Probleme über die Bühne gehen. Zum frühen Nachmittag erreichte die große nordbadische Delegation – immerhin waren 12 Mädchen und 12 Jungs samt Trainern und Betreuern unterwegs – dann den Bodensee. Es ging zuerst zum Hotel, das unweit der Halle gelegen war. Dieser „Luxus“ war für die Mädchen des Kaders völlig ungewohnt. Bei normalen Kaderlehrgängen gehörte es dazu, die Nächte auf Isomatten in Turnhallen zu verbringen – mehr oder weniger erholsam, wie sich erwies. Doch dieses Mal hatte der Verband einer Unterbringung im Hotel zugestimmt.
Zum späteren Nachmittag gab es noch ein Abschlusstraining in der wunderbar gelegenen Schänzlehalle, direkt an einem Seitenarm des Bodensee. Dort traf man erstmals auch auf die Kadermannschaften anderer Verbände und irgendwann kam die Nachricht aus Konstanz: „Ich realisiere noch nicht so ganz, dass wir jetzt beim BuPo sind“.
Tag 2
Das sollte sich am darauffolgenden Morgen schnell ändern. Denn um 11 Uhr gab es die feierliche Begrüßung aller Kadermannschaften aus dem Saarland, Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordbaden, Südbaden, Württemberg, Bayern, Sachsen und Thüringen. Und da standen sie nun, aufgereiht nach Kadern, immer abwechselnd Jungs und Mädchen. Spätestens hier gab es die nächste Einsicht und die Nachricht: „Hier is wirklich der Treff der Über-Großen Deutschlands“ und später „Die sind alle so 1.90m und größer.“ Vor allem die Jungs zeigten sich besonders groß gewachsen. Dazu gehört auch, dass das Turnier der Mädchen für den Jahrgang U16 ausgeschrieben war, während bei den Jungs U17 galt; d.h. die Jungs waren auch noch ein Jahr älter.
Und wenn es bis dahin noch nicht jede verstanden hatte, was da gerade passiert, dann änderte sich das allerspätestens bei den ersten Ballwechseln. Die erste Partie mit NVV-Beteiligung (NVV = Nordbadischer Volleyball-Verband) war erst für den späten Nachmittag angesetzt, sodass noch ausreichend Zeit war, die ersten Spiele bei den Jungs zu beobachten. Und wieder gab es die Nachricht: „Die spielen ja voll krasses Volleyball!“. Das war schon ganz großer Sport, der da ab dem ersten Ball zu sehen war.
Zum Glück begann dann recht schnell die Vorbereitung auf das erste eigene Spiel – gegen den Kader Thüringens. Fast noch etwas größer war die Vorfreude auf das Abendspiel ab 19:30 Uhr, denn da sollte das Spiel sogar über den Streaming-Dienst Twitch ausgestrahlt werden.
Das Spiel gegen den Thüringer Kader erwies sich als perfekter Auftakt, sodass die nordbadener Mädchen gut ins Rollen kamen. Während Amelie und Lotta noch auf ihren ersten Einsatz warten mussten, konnte Tessi gleich von Anbeginn an ihr Können zeigen. 2:0 hieß es am Ende – das war wie Balsam auf die angespannten Nerven von Spielerinnen und Trainer.
Für das Abendspiel war ich selbst nicht mehr auf die dürftigen Social-Media-Infos oder den Live-Stream angewiesen, sondern ich traf rechtzeitig zum Einspielen der beiden Mannschaften – Nordbaden und Südbaden – in der Halle selbst ein. Was für ein ungewohntes Gefühl nach anderthalb Jahren Corona, so viele Jugendliche an einem Ort zu sehen und wie sie unserem geliebten Hobby nachgehen! Einfach toll!
Die Voraussetzungen für das Spiel war für alle klar: der Sieger wäre als Gruppenerster weiter, der Verlierer käme zwar auch weiter, müsste aber tags darauf über eine Zwischenrunde auf einen Einzug unter die ersten Plätze bangen. Der NVV begann mit der gleichen Aufstellung wie gegen Thüringen. Beim Baden-Württemberger Kadervergleich vor kurzer Zeit hatte Nordbaden noch glatt gewonnen, wähnte sich also als Favorit. Dass es anders kommen sollte, wusste da noch niemand. Nach einem souveränen 1. Satz war Südbaden im zweiten Durchgang besser eingestellt und holte sich den Satz. So kam im Entscheidungssatz die erste Chance für Amelie und Lotta, ihr Können zu zeigen. Es wurde ein spannendes, ja teilweise dramatisches Spiel. Dazu gehörte auch, dass die Jungs des südbadischen Kaders ihr Team von außen lautstark und mit ohrenbetörendem Trommeln unterstützte, während sich die nordbadischen Jungs wenig interessiert zeigten. Die Dramatik kam natürlich auch aus dem Spiel heraus, denn das ging am Ende fast noch in die Verlängerung, ehe Südbaden mit 15:13 die Oberhand behielt.
Zum ersten Mal galt es, auch mit einer Niederlage umzugehen und wie schwer fällt das gerade bei einem derart wichtigen Turnier! Die Enttäuschung war denn auch noch eine Weile zu spüren, aber schon abends war der Fokus wieder auf dem nächsten Tag. Als Zweiter war man im vermeintlich leichteren Teil des Turnier-Tableaus gelandet.
Tag 3
Diese Sicht schien sich auch als richtig zu erweisen, denn nach dem Sieg gegen den Kader des Saarlands am Morgen des zweiten Turniertags war man sicher unter den ersten 6 und hatte es in der Finalrunde mit Hessen und Württemberg zu tun, während Südbaden in der „Todesgruppe“ mit Sachsen und Bayern spielen musste.
Draußen schien inzwischen die Sonne und ich konnte die Gelegenheit nutzen, ein wenig entlang des Bodensees ein paar Schritte zu gehen. Natürlich traf man dort überall auf Volleyballer – hier eine Gruppe von Trainern in der Diskussion, dort ein ganzer Kader, der an der frischen Luft neue Energie tanken wollten. Eine schöner gelegene Sporthalle kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Und um die Halle eine wunderbare Sportanlage, mit Fußballplatz und Leichtathletik-Möglichkeiten und dazu – natürlich – Beach-Volleyball-Felder, die selbst jetzt, im Oktober, noch genutzt wurden. Einen insgesamt würdigeren Rahmen kann man sich fast nicht wünschen.
In der Halle ging es nun langsam um „die Wurst“. Die beiden Erstplatzierten der beiden 3er-Gruppen standen im Halbfinale, die Dritten im Spiel um Platz 5. Mindestens Sieg sollte her. Andererseits war auch klar, dass Hessen einer der Topfavoriten des Turniers stellte, Nordbaden im Spiel gegen diesen Kader also Außenseiter war. Die Kräfteverhältnisse schienen sich zu bewahrheiten, doch gerade im zweiten Satz war zu erkennen, dass mit einem perfekten Spiel des NVV selbst Hessen unter Druck zu setzen war. Zu viele Fehler machten die Hoffnungen dann aber schnell zunichte.
Das wiederum ließ den Druck für das zweite Spiel nochmal anwachsen. Auch da galt, dass man beim Kadervergleich vor kurzem noch gegen Württemberg gewonnen hatte und unterschwellig dachten deshalb vielleicht einige, dass es möglicherweise ein leichtes Spiel werden würde. Es wurde leider eher eines der schlechteren Spiele der nordbadischen Mädchen. Vor allem fehlte es an einer konstanten Leistung, denn dazwischen waren immer wieder tolle Aktionen zu sehen, dann aber immer wieder gefolgt von Aufschlag- oder anderen leichten Fehlern. Man kann beim besten Willen nicht sagen, dass man chancenlos war – im Gegenteil. Aber am Ende zählt eben, was auf der Anzeigetafel steht und demnach hatten die NVV-Mädchen ihre Chancen auf einen Halbfinaleinzug verspielt.
Wie sich leider herausstellen musste, war die Niederlage nicht für jede mit der nötigen Ruhe und dem nötigen Abstand zu verdauen. Auch das Trainerteam konnte die Enttäuschung nicht verbergen. Es rauchte doch gewaltig in der Nachbesprechung dieses Spiels, viele Tränen flossen. Und so manche fragte sich auch noch spät abends, wie aus dieser Nachbetrachtung des Spiels nochmal eine gute Leistung zum Abschluss – im Spiel um Platz 5 – abgerufen werden sollte.
Gleichzeitig war jeder Spielerin bewusst, dass nun die letzte Nacht als Kader gemeinsam verbracht wurde. Vier Jahre gingen ihrem Ende entgegen und die wollte man unbedingt mit einem positiven Ergebnis abschließen. Der Abend war auch die Gelegenheit, an Aluna, Hannah und Julia zu denken, denen dieses letzte Turnier leider verwehrt blieb, die aber ohne Frage genauso zum Kader gehörten wie die 12 Mädchen, die gerade in Konstanz waren. Wirklich schade, dass ihr nicht dabei sein könnt!
Tag 4
Die Geschichte des letzten Tags, des Sonntags, kann ich wieder nur aus der Perspektive des Live-Streams erzählen, hatte ich mich doch am Abend zuvor schon aus Konstanz verabschiedet und gut vier selten entspannte Stunden auf der Autobahn verbracht. Was tut man nicht alles fürs liebe Volleyball … und die eigene Tochter.
An Spannung mangelte es auch sonntags indes nicht. Im Live-Stream war die Partie auf einem anderen Spielfeld zu sehen und nur ab und zu konnte man einen Blick auf das Spielfeld erhaschen, auf dem Nordbaden in ihr letztes Spiel ging. Gegnerinnen waren abermals die Mädchen Südbadens, die in ihrer Gruppe erwartungsgemäß ohne Chance geblieben waren. Durch die Niederlage in der Vorrunde hatte das Match noch mehr Brisanz als es die Duelle zwischen den beiden „Schwester-Kadern“ ohnehin immer schon haben. Doch ohne Live-Bild konnte man daheim nur gebannt dem Ergebnis-Ticker folgen und dann – Sekunden später – im Live-Stream den dazugehörigen Jubel der Mannschaften auf dem Nebenfeld hören. Ein Spielbericht kann es an dieser Stelle also nicht geben. Nur so viel: Tessi musste verletzungsbedingt pausieren, während Lotta nochmal Einsatzzeit bekam. Am Ende des zweiten Satzes wurde es zwar nochmal eng, aber Nordbaden wollte sich heute die Butter nicht mehr vom Brot nehmen lassen und gewann dieses letzte große Spiel. Ein letzter gemeinsamer Jubel, immerhin hatte man mit dem Sieg Platz 5 von insgesamt 9 Kaderteams gewonnen.
Aber schon ab da mischte sich auch Wehmut in die Umarmungen. Denn bei allem Kampf ums Weiterkommen, bei all den Sichtungen und all den schwierigen Zeiten, war in diesen Jahren doch eine ganz außergewöhnliche Gemeinschaft vor allem unter den Spielerinnen entstanden, die eine echte Mannschaft eben ausmachte.
Auch für Amelie, Tessi und Lotta ging damit eine unvergessliche Zeit vorbei. Und als unerwartetes Extra gab es für Tessi sogar noch den absoluten Bonus: eine Nachnominierung in den Baden-Württembergischen Kader. Eine ganz große Gratulation von uns allen dafür! Du hast es wirklich verdient!!
Immerhin war der Abschied bei der Abreise auch kein endgültiger, spielen doch alle drei für den SSV sowohl bei U18 als auch in der U20. Bei den Damen spielt nur noch Amelie beim SSV, Tessi hat schon zur Saison 20/21 eine Startberechtigung bei den Erwachsenen in Heidelberg und Lotta zog es im Sommer 2021 gen Bretten. Aber immerhin in der Jugend geht man weiter gemeinsam den Weg. Und dort sind dann auch wieder Aluna und Hannah und hoffentlich bald wieder Julia mit am Start.
Und während die Kaderzeit für die Mädchen der Jahrgänge 2006 und 2007 jetzt zu Ende ging, starteten Karlotta, Sophie, Mavie, Milena und Lisa keine zwei Wochen zuvor ihren Weg: bei der Kadersichtung der Jahrgänge 2010/11 schafften sie den ersten Sprung in den neuen Bezirkskader. Ob man im Herbst 2025 wohl über sie und über ihr Auftreten beim Bundespokal sprechen wird?